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Neil Young - Rockin' In The Free World

"There's one more kid / that will never go to school / Never get to fall in love, / never get to be cool." Diese Passage aus Neil Youngs "Rockin' in the free world" treibt wohl jedem halbwegs empfindsamen Menschen einen Schauer über den Rücken. Hier gleich der Link zum Official Video. Das Lied wurde auf "Freedom", dem 18. Studio-Album von Neil Young, Anfang Oktober 1989 in zwei Versionen veröffentlicht. Eine akustische Live-Version bildet den Auftakt des Albums, eine elektrische Studio-Version das Ende. Die elektrische Version wurde eingespielt mit Frank "Poncho" Sampedro (g), Rick Rosas (b) und Chad Cromwell (dr) und Ben Keith (keyb). "Rockin'" wurde als Single ausgekoppelt und erreichte Platz 2 der "Billboard Mainstream Rock Tracks"-Charts.

Der Song ist eine schonungslose Anklage der US-Sozialpolitik der 1980er Jahre unter den Präsidenten Ronald Reagan und George Bush. inzwischen muss man dem Text leider eine Zeitlosigkeit bescheinigen, denn geändert hat sich wenig - im Gegenteil: Die Kluft zwischen arm und reich ist immer größer geworden. Die erste Strophe befasst sich mit dem Elend der Obdachlosen, die zweite mit einer Crack-Abhängigen und ihrem chancenlosen Kind, die dritte mit den Lügen und dem Schönreden der Politik sowie dem umweltzerstörenden Konsumismus; hier ein Link zum Text.

In der dritten Strophe gibt es eine direkte - vielleicht schwer verständliche - Bezugnahme auf Bush senior. In seiner Rede nach der Nominierung zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten 1988 endete er pathetisch: "keep America moving forward, always forward — for a better America,

for an endless enduring dream and a thousand points of light." Seine Politik mündete dann - wie es US-Satiriker beschrieben in "a thousand points of blight" - in tausende Punkten von Zerstörung. Und Bushs Phrase von der "kinder, gentler hand" (also der Einforderung von Subsidiarität statt staatlicher Unterstützung) drehte Young durch den Einschub von "machine gun" um. Mit dem Vers "Got a man of the people, says keep hope alive" kritisiert Young auch jede Schönrederei; er bezog sich damit auf Reverand Jesse Jackson, der den Feel-Good-Slogan "Keep hope alive" populär machte. (Wer mehr zum Songtext wissen will, kann eine Interpretation finden unter http://thrasherswheat.org/fot/ritfw.htm.)

In der elektrische Version gelingt es Young und der Band, ihren Hass und ihre Verzweiflung auch musikalisch auszudrücken. Die Akkordfolge in den Strophen ist ein einfacher Abstieg von Em über D zu C mit treibenden Achtelbeat; der Refrain läuft über G - D - C und Em. Tricky ist, wenn die Band beim Übergang vom Refrain zur zweiten Strophe und auch vor dem kurzen Gitarrensolo vier Takte auf A7 geht. - Eine schöne Akkustik-Version spielte Neil Young auf dem Live Farm Aid 1990. Eine der Bands, die "Rockin'" fest in ihrem Programm haben, ist Pearl Jam - hier eine wilde Version mit Neil Young als Gast aus dem Jahr 2011 in Toronto.

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Und hier noch die Liste mit Links zu unseren bisherigen Polit-Pop-Songs

15 - Edwin Starr - War

14 - Pille Palle - Boykott

13 - C, S, N & Y - Ohio

12 - The Sex Pistols - God Save The Queen

11 - Schmetterlinge - Boom Boom Boomerang

10 - Aretha Franklin - Respect

09 - John Wheeler - Deeper in Dept

08 - Pete Seeger - Turn Turn Turn

07 - Jimi Hendrix - Machine Gun

06 - Fritz Grasshoff - Neudeutsches Marschlied für Antimarschierer

05 - Billy Bragg - Which side are you on?

04 - Rage Against The Machine - Sleep Now In The Fire

03 - Curtis Mayfield - People Get Ready

02 - Rasta Knast - Die Katze beißt in Draht

01 - Pearl Jam - Masters Of War