Behiye Uca: "Wie ein Haus ohne Dach"

Mit 36 gegen 21 Stimmen hat der Kreistag heute abgelehnt, die Integrierte Gesamtschule (IGS) ab 2020/21 mit einer gymnasialen Oberstufe zu versehen. Dafür waren nur die Fraktionen von SPD, B'90/Die Grünen und Behiye Uca (Die Linke). Behiye Uca begründete ihr Unverständnis in ihrem Redebeitrag so:

Eine IGS ohne Oberstufe ist wie ein Haus ohne Dach. Wer das nicht wahrhaben will, ist einfach nur ignorant oder böswillig. Böswillig gegenüber den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern, die sich wie selbstverständlich darauf verlassen haben, dass sie an ihrer Schule das Abitur machen können.

Es bezweifelt ja niemand, dass es in räumlichen Fragen vielleicht einer Umstrukturierung in der Schullandschaft bedarf. Und dass das nicht einfach ist, bezweifelt auch niemand.

Aber das darf kein Grund sein, einfach so eine im Grunde genommen zwingende Entscheidung für eine Oberstufe an der IGS einfach so vom Tisch zu fegen.

Ich zitiere Expertinnen und Experten:

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Celle, schreibt:

„Die Integrierte Gesamtschule ist eine eigenständige Schulform, in der Schülerinnen und Schüler aller Schulformen [...] eine Chance bekommen, bei Eignung das Abitur zu erlangen. Nun bestehe jedoch akut die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler die sehr erfolgreiche IGS Celle verlassen. Gerade den Leistungsstärkeren werde durch die Entscheidung des Ausschusses die Perspektive genommen, an ihrer Schule den angestrebten Schulabschluss zu erreichen. Fehlt dieser Teil der Schülerschaft, können die Kolleginnen und Kollegen der IGS ihre gute Arbeit nicht fortführen.“ [Zitat Ende]

Ohne Oberstufe wird das Prinzip der IGS ausgehöhlt, nämlich die gleichzeitige Beschulung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Leistungsstärke. Die Eltern von leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern werden ihre Kinder nicht mehr an die IGS schicken, wenn sie nicht die Chance haben, dort auch das Abitur zu machen. Das heißt: Das ganze Konzept steht auf der Kippe.

Ihr Argument dagegen ist, dass die Schülerinnen und Schüler ja an die Oberstufen der Gymnasien oder der Berufsschulen wechseln könnten. Selbstverständlich ist das möglich. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass dieser Übergang nicht einfach ist. Und er ist noch schwerer von der IGS aus, denn Lernen funktioniert dort anders. In einer eigenen Oberstufe würde genau daran angeknüpft. Und das ist doch unterm Strich der Sinn dieses alternativen Schulangebots.

Genau das ist auch die Argumentation des Elternrats der Schule; ich will Ihnen eine Kernpassage nochmal in Erinnerung rufen: [Zitat]

„Eine IGS kann normalerweise die schulische Heimat für alle Kinder sein, also vom Kind mit Förderbedarf bis hin zu ganz schlauen Kindern, die auch ein Gymnasium besuchen. Die Mischung soll die Gesellschaft widerspiegeln und ist eine tragende Säule des Konzeptes einer IGS. Beim Fehlen einer gymnasialen Oberstufe werden wahrscheinlich die Kinder, die ein Gymnasium besuchen könnten, immer mehr der IGS fern bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass eine wesentlicher Teil des Konzeptes einer IGS wegbricht und sich die IGS in Celle nicht zu einer IGS entwickeln kann.“ [Zitat Ende]

Ich denke auch, dass die Intention des Schulgesetzes eindeutig dahin geht, dass Schülerinnen und Schüler einer IGS auch auf einer IGS das Abitur machen können. Die „IGS ohne Oberstufe“ gibt es in Städten mit mehreren Integrierten Gesamtschulen, also dort, wo also die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, auf die Oberstufe einer IGS zu wechseln.

Ein Satz zum Thema Chancengleichheit:

Alle Fünftklässler, die bei uns im Landkreis das Abitur machen wollen, gehen an Schulen, wo dies auch machbar ist. Nur von der IGS aus sollen sie jetzt zu einem riskanten Wechsel in die Oberstufen der Gymnasien oder Berufsschulen gezwungen werden.
Das widerspricht aus meiner Sicht völlig dem Konzept der IGS. Die IGS ist mehr als eine Oberschule mit anderem pädagogischen Konzept.

Die Eltern, die ihre Kinder auf diese Schulform schicken, wissen das. Dass eine Mehrheit im Kreistag dies nicht begreifen will, macht mich fassungslos.