Rechts hat Vorfahrt?

Nur in der Straßenverkehrsordnung, aber nicht bei uns

Gelegentlich versuchten Ratsmitglieder aus den Reihen der SPD und Bündnis ‘90/Die Grünen gegen die Ratsfraktion Die Linke/BSG zu polemisieren, indem behauptet wird, wir würden die CDU-Fraktion in ihren politischen Zielen unterstützen. Abgesehen davon, dass es - wie immer - auf die Ziele ankäme, entbehrt dieser Polemik jegliche Entsprechung in der Wirklichkeit.

Die Wahrheit ist dagegen: Bei (fast) allen großen politischen Projekten sitzen CDU, SPD und Bündnis ’90/Die Grünen in einem Boot – ohne Die Linke/BSG. Wir haben uns gedacht, es könnte vielleicht doch sinnvoll sein, dies auf unserem Fraktionsblog mal deutlich zu benennen.

Was wird in den nächsten Monaten die zentrale kommunalpolitische Frage? Der drastische Rotstift-Kurs, der im städtischen Haushalt mit Hilfe der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) umgesetzt werden soll. Wer kooperiert dabei? Die ganz ganz große Koalition aus CDU, SPD, Bündnis '90/Die Grünen, FDP und WG. Wer ist dagegen: Die Unabhängigen und Die Linke/BSG. Ein Ergebnis dieses Kurses erleben die Nutzer*innen der Stadtbibliothek schon jetzt: Der Beschaffungsetat ist von 100.000 Euro im Jahr auf 50.000 Euro zusammengekürzt worden. Wer hat für diese Kürzung gestimmt? Genau. Die ganz ganz große Koalition. Wer war dagegen? Die Linke/BSG.

Wer verfolgt das umstrittene Projekt des gegenläufigen Ausbaus des Nordwalls? Selbstverständlich die ganz ganz große Koalition - und dagegen sind ...

Die Unabhängigen und Die Linke/BSG. Wer ist von dem Ausbau der Allerinsel restlos überzeugt? Die ganz ganz große Koalition. Es lohnt fast nicht mehr zu sagen, wer Zweifel hat.

Wer hat das vom Oberbürgermeister – lange Zeit „geheim“ - verfolgte Projekt der Privatisierung der Abwasserwirtschaft unterstützt? Es waren die SPD und die CDU. Selbstverständlich waren wir dagegen, hier einmal gemeinsam mit Bündnis ‘90/Die Grünen.

Wann haben unsere Stimmen dazu beigetragen, dass es - gefühlt - mal eine linke Politik gab? Bei der Erhöhung der Gewerbesteuer. Diese wichtige Entscheidung zur Verbesserung der kommunalen Finanzen haben wir gefordert und selbstverständlich gegen CDU, FDP und Unabhängige und mit dem rest des Rates dafür gestimmt.

Wer hat den Kurs des Oberbürgermeisters zur Schaffung einer Gesamtschule in Celle unterstützt? Das war bekanntlich nicht die CDU, sondern neben SPD und Bündnisgrünen auch Die Linke/BSG.

Fazit: Ja, es gibt „Kumpane“ (Rentsch). Aber bei all dem, anscheinend nicht mal inszenierten, sondern auf persönlichen Animositäten beruhendem „Lärm“ ziehen SPD und CDU bei allen Beton- und Rotstiftprojekten an einem Strang. Um also mit Shakespeare zu sprechen: „Much Ado About Nothing.“

Widmen wir uns den Punkten, an denen wir mit der CDU gegen den Kurs des Oberbürgermeisters waren/sind?

  1. Als der Oberbürgermeister sich über einen Ratsbeschluss hinwegsetzen wollte, um den Verwaltungsvorstand umzustrukturieren – konkret: der Kämmerin Susanne Schmitt den Bereich Wirtschaftsförderung wegzunehmen, waren wir dagegen. Wenn wir an diesem Punkt mit der CDU gestimmt haben, dann deshalb, weil wir gegen eine Schwächung des Rates sind. Es ging uns um die Durchsetzung der Rechte des Rates. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat diese Position jetzt im Februar für rechtens erklärt. Jene, die uns eine Kumpanei mit der CDU vorhalten, werfen uns also vor, für eine vom Verwaltungsgericht gestützte Position eingetreten zu sein. (Vielleicht sollten sie sich mal fragen, warum sie an diesem Punkt bedenkenlos dem Oberbürgermeister gefolgt sind?)

  2. Als im Dezember 2013 ein Aspekt zur Frage der Aufnahme des Energievertriebs durch die Stadtwerke GmbH auf der Tagesordnung stand, haben wir uns dem CDU-Ansinnen nach einer Vertagung angeschlossen. Grundsätzlich sind wir bekanntlich große Befürworter dieser Idee, aber: Dieser Prozess soll aus unserer Sicht seriös auf den Weg gebracht werden. Eine Beschlussvorlage, die die Ratsmitglieder gerade mal drei Stunden vor der Sitzung bekommen hatten, war unserer Auffassung nach mit diesem Ansinnen nicht vereinbar. Letztlich hat sich diese Vertagung als positiv erwiesen, weil so die Komplexität der Fragen gegenüber dem Rat noch einmal transparent gemacht werden musste. Unter dem Strich übrigens mit dem Ergebnis, dass es so einfach wie „vorgestellt“ leider nicht ist und eine Entscheidung deshalb in den Sommer vertagt wurde.
  3. Jetzt wird uns vorgehalten, uns einer Wiederwahl der Stadtkämmerin Dr. Susanne Schmitt nicht in den Weg zu stellen, sondern hier die CDU zu unterstützen. Dies ist sicherlich eine schwierige Frage. Warum sind wir nicht von vornherein für eine Neuausschreibung der Stelle? Erstens: Wir fanden es positiv und beachtlich, dass sich Susanne Schmitt gegen die (eigene) CDU-Fraktion für eine Erhöhung der Gewerbesteuer eingesetzt hat. Zweitens: Im Unterschied zu anderen Mitgliedern des Verwaltungsvorstands begegnet sie den Ratsmitgliedern stets sachlich und respektvoll. Drittens: Sie ist der letzte Rest einer „Frauenquote“ im Verwaltungsvorstand. Viertens: Die CDU ist die stärkste Fraktion im Rat, und Politik funktioniert auf kommunaler Ebene eben zum Teil über Repräsentanz und „Vernetzung“. Anders gesagt: Wären wir nicht eine kleine zweiköpfige Fraktion, sondern so groß wie CDU und SPD, hätten wir selbstverständlich gern jemand im Verwaltungsvorstand, die/der erstmal grundsätzlich für unsere Ideen offen ist. Wir sind so „fair“, dass wir dies der CDU zugestehen. – Auf der anderen Seite gibt es auch Aspekte, die aus unserer Sicht gegen ihre Wiederwahl sprechen: Susanne Schmitt unterstützt die KGSt-Rotstiftpolitik, sie hat in der Frage des Gewerbesteuereinbruchs nicht für eine hinreichende Aufklärung gesorgt. Sie hat beim „Bürgerhaushalt“ eher distanziert agiert, statt es zu ihrer Sache zu machen. D.h.: Wenn am Ende eines Ausschreibungsverfahren eine bissige Frau zur Wahl stünde, die es sich zum zentralen Anliegen machen würde, bei unsinnigen Großprojekten zu „sparen“, statt bei der Stadtbibliothek und bei freiwilligen Leistungen zu kürzen, und die sich für Transparenz und Bürgerbeteiligung einsetzt, würden wir sagen: Ja, her mit der Frau. (Aber genau so eine Frau würde vom großen Rest des Rates nicht gewählt werden.) Kommunalpolitik macht uns vor diesem Hintergrund zu „Realisten“, denen der Spatz in der Hand dann (vielleicht) lieber ist als eine Taube auf dem Dach.

Ein Letztes: Zum Haushalt 2013 haben wir der SPD, den Bündnisgrünen und der WG eine Art „Koalitions“-Angebot gemacht, weil sonst niemand auf die Idee kam, dass man in komplizierten Situationen für Haushaltsmehrheiten nun mal Kompromiss-Gespräche führen muss. Wir hätten den Haushalt 2013 mit getragen, wenn erstens die Gewerbesteuer erhöht wird, um die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern (was – wie gesagt – dank unserer Stimmen klappte), zweitens der Nordwall-Ausbau auf den Prüfstand gestellt wird (z.B. durch ein Pro & Contra-Symposium) und dass drittens die Schaffung einer Klimaschutzagentur in Angriff genommen wird. Es kam nicht einmal zu Gesprächen, die das Prädikat „ernsthaft“ für sich beanspruchen könnten. SPD und Bündnis ‘90/Die Grünen verabschiedeten den Haushalt gemeinsam mit der CDU.

Kurzum: Wir sind für alles offen, was Bürgerbeteiligung stärkt und die „Betonfraktion“ schwächt. Wir wollen den Haushalt konsolidieren, aber nicht auf Kosten der einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten (siehe z.B. Stadtbibliothek) oder dem, was der Stadt ihr eigenes Gesicht gibt (z.B. freiwillige Leistungen). Wir sind für den Ausbau regenerativer Energien und ein Engagement der Stadt beim Projekt Energiewende. Wir sind gegen Privatisierungen und selbstverständlich stören wir uns an der Konferenz der Rüstungslobbyisten, genannt "Celler Trialog"; und wir weinen keiner Bundeswehreinheit nur eine Träne nach, die die Stadt auf immer verlässt.

Und als große Fans guter Pop-Musik finden wir auch: Der Ton macht die Musik. Was heißt das? Wir begrüßen z.B. die Offenheit des Ratsvorsitzenden Falkenhagen (FDP) für zugespitzte Debattenbeiträge, wir sind in gewisser Weise überrascht über die sachliche Diskursfähigkeit mancher CDU-Ratsmitglieder (Beispiel Klimaschutzagentur, Beispiel Last-Minute-Ticket), und gelegentlich sind wir sogar neidisch auf den rumpelnden Politik-Punkrock der Unabhängigen. Und von all dem – ehrlich gesagt – finden wir (leider) erstaunlich wenig bei den meisten Ratsmitgliedern von SPD und Bündnis ‘90/Die Grünen.

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Für jene, die bei der Illustration ins Grübeln kommen - sie ist "gewendet" und so nicht wirklich irgendwas erklärend.