Einbahnstraße. Gegenverkehr. Sackgasse?

Unter dieser Fragestellung beschäftigte sich zuletzt CelleHeute.de mit dem "Dauerbrenner Nordwall" und stellte hierzu den Ratsfraktionen vier Fragen. CDU, Grüne, WG und Die Unabhängigen sowie die städtische Fachverwaltung antworten nicht, die SPD verwies auf ein altes Positionspapier. So waren wir die Einzigen, die neben der FDP geantwortet haben. Hier der Link zu dem Artikel "Dauerbrenner “Nordwall”: Einbahnstraße. Gegenverkehr. Sackgasse?"

Und hier unsere Antworten auf die Fragen:

1. Es wird behauptet, dass eine Gegenläufigkeit derzeit nicht herstellbar sei, was plakativ mit “LKW würden Spiegel an den Häusern abfahren” beschrieben wird. Im Vergleich sei jedoch die Breite an bestimmten Punkten in der Mühlenstraße oder Westcellertorstraße noch geringer als derzeit am Nordwall. Das sei bereits in der “Biermann-Ära” festgestellt worden, dennoch hält man an dieser Sichtweise fest. Wir fragen: Warum?

Das Gutachten beinhaltet auch eine „Variante B“ mit einer Gegenläufigkeit ohne Abriss. Grundsätzlich ist dies also möglich, wird aber aus verkehrlicher und städtebaulicher Sicht am schlechtesten bewertet. Aus unserer Sicht ist allerdings die Gegenläufigkeit verkehrlich nicht erforderlich. Die Behauptung,

die Erreichbarkeit der Innenstadt müsse verbessert werden, ist ein millionenschwerer Optimierungswahn. Noch 1998 hieß es in der Zusammenfassung der „Leitbilddiskussion“: „Die Innenstadt sollte vom motorisierten Individualverkehr so weit wie möglich entlastet werden, wodurch der Lebensraum Innenstadt aufgewertet würde.“ Die Gegenläufigkeit hingegen verschärft die Immissionsprobleme im Nordwall, insbesondere hinsichtlich der Feinstaubbelastung. Städtebaulich lässt sich dieses Problem besser bei einer Einspurigkeit lösen, wobei andere Fragen (z.B. Nebenanlagen, innerstädtisches Grün etc.) auch ohne Enteignungen angegangen werden können. Es ist uns ein Rätsel, warum – auch angesichts leerer Kassen – alles auf das teuerste Modell hinlaufen soll. Es ist fast schon eine Art Wagnerscher „Ring“-Mythos, an dem einige Ratsfraktionen kleben.

2. Es wird behauptet, für einen Kreisel am Neumarkt sei “kein Platz”. Gleichzeitig wird einer an einer schmaleren Stelle, der Hafenstraße, geplant, der den Verkehrsfluss behindern wird. Wir fragen: Warum ist am Neumarkt “kein Platz”, welche Entwürfe und Belege gibt es dafür?

Die wesentliche Behauptung der Städteplaner ist, dass eine entwickelte Allerinsel an der Mühlenstraße eine Abflussmöglichkeit in beide Richtungen bekommen müsse. Bekanntlich aber gibt es zur Biermannstraße eine zweite Ausfahrtmöglichkeit, die ampelgeregelt einen problemlosen Abfluss nach Süden erlaubt, ohne die Allerbrücke zusätzlich zu belasten. Und aus unserer Sicht dürfte der Wunsch, innenstadtnah auf der Allerinsel zu wohnen, nicht unbedingt mit dem Bedürfnis verbunden sein, das eigene KFZ auf irgendwelchen inneren oder äußeren Ringen auszuführen. Kurzum: Wir halten den Kreisel für überflüssig und in bestimmten Zeiten angesichts der Stauproblematik am Ärztehausparkplatz für ungeeignet, den Verkehrsfluss zu verbessern.
Zu den Planungen den Neumarkt betreffend können wir nur auf den Vortrag der Freie Planungsgruppe Berlin (FPB) im Januar 2012 im Ausschuss für Straßenbau und Verkehr verweisen. Keine der Varianten wurde für verkehrstechnisch günstig gehalten – und selbst die durch die FPB optimierte Variante war eben nur eine leichte Verbesserung des eigentlich Untauglichen. Das 2003 entwickelte Grundsatzkonzept sei, so entnahmen wir dem Vortrag, nicht mehr zeitgemäß.

3. Es gibt, ebenfalls schon seit mehreren Jahren, Entwürfe zum Nordwall, die zwar den Abriss der Häuser vorsehen, aber eine Neubebauung nicht als zwingende Logik vorsehen. Stattdessen solle der Nord”wall” wieder hergestellt und damit der historische Stadtgraben für alle sichtbar machen können. Der Wall könnte für Fußgänger und Radfahrer dienen und sogar zusätzliche Parkplätze aufnehmen. Auch das würde eine Verbreiterung des Nordwalls und weitere Kosten vermeiden helfen. Wir fragen. Warum spielte diese Version bisher öffentlich keine Rolle, was spricht gegen sie?

Dagegen spricht die Lärmimmissionsproblematik hinsichtlich der Südseite der Fritzenwiese, die sich dann – insbesondere bei einer Gegenläufigkeit – verschärfen würde. Allerdings halten wir es für sinnvoll (siehe zu 1.), städtebauliche Verbesserungen ohne Gegenläufigkeit und Abriss in die Planungen einzubeziehen, die unter Umständen auch einen teilweisen Zugang zum Stadtgraben öffnen könnten. Wir hatten hierzu ein städtebauliches Symposium vorgeschlagen, von dem die anderen Fraktionen im Stadtrat allerdings nichts hielten.

4. Bei manchen Argumenten scheint es weniger um die Sache zu gehen, als darum, dass Fördergelder ausgeschöpft werden. Kommt man am Ende bei den eindeutig günstiger umzusetzenden Varianten am Ende nicht “preiswerter” weg als bei teuren Vorhaben, die subventioniert werden? Wir bitten, Ihre Meinungen mit Zahlen zu belegen.

Wir sehen in der Tat ein Problem in dem fast zwanghaften Blick auf Fördermittel. Diese „Logik“ ist spätestens seit der europäischen Ziel-1-Förderung in die Kommunalpolitik eingekehrt. Wer sich an die hochfliegenden Pläne in diesem Zusammenhang erinnert (u.a. „Marina“) und sich jetzt das Scheitern vieler Pläne vergegenwärtigt, muss genau diese Logik infrage stellen. Besser wäre in jedem Fall, zunächst zu schauen, was man will, und sich dann nach Fördermöglichkeiten umzuschauen, anstatt Planungen mit dem Blick auf Fördertöpfe zu entwickeln. Aus unserer Sicht rührt ein Teil der Probleme der städtischen Finanzen aus der Logik, Fördermittel unbedingt in Anspruch nehmen zu wollen, wobei „übersehen“ wurde, dass der größte Teil der Finanzierung i.d.R. selbst erbracht werden muss. Seriös mit Zahlen belegen lässt sich hierzu allerdings wenig, das könnte nur die Fachverwaltung. Wir werden künftig allerdings die Frage nach kostengünstigeren Planungen einfordern, die ohne Inanspruchnahme von Fördermitteln möglich wären.