Rommel- und Stülpnagelstraße umbenennen -

„Widerstand gegen Hitler wiegt Kriegsverbrechen nicht auf“

Eigentlich ist es schon erstaunlich, dass es im Jahr 2015 immer noch Verteidiger der Kriegsverbrecher Erwin Rommel (Foto rechts: der "Lieblingsgeneral des Führers" mit seinem Chef) und Carl-Heinrich von Stülpnagel gibt – jedenfalls was die Benennung von Straßennamen im so genannten „Widerstandsviertel“ in Klein-Hehlen betrifft. Aber: CDU und Unabhängige im Ortsrat verhinderten mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit eine Umbenennung. Wieder auf die Tagesordnung gesetzt hatte das Thema Michael Ende von der Celleschen Zeitung. (siehe Werner Freiherr von Fritsch: Judenhasser als Celler Namenspatron, "Sympathie" für Umbenennung von Celler Straßen) Aber die Wirkmacht die „vierten Gewalt“ reichte im ersten Schritt nur zur Umbenennung der nach Werner Freiher von Fritsch benannten Fritschstraße in Groß-Hehlen. Das Gutachten von Bernhard Strebel (»Es ist nicht ganz einerlei, wie die Straße heißt, in der man wohnt« - Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen mit dem Nationalsozialismus) gibt's übrigen hier zum download.

Die CDU-Ortsratsmitglieder in Klein-Hehlen stellen sich damit auch gegen ihre Ratsfraktion, die im Verwaltungsausschuss eine Umbenennung empfohlen hatte. (siehe Empfehlung von Straßenumbenennungen an die OrtsräteOrtsrat Klein Hehlen steht zu Rommel & Co.) Im Rat gäbe es also wahrscheinlich eine Mehrheit, aber es ist im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz wie auch in der sogenannten Hauptsatzung der Stadt Celle geregelt, dass der Ortsrat über „Benennung und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen, die ausschließlich in der Ortschaft oder dem Stadtbezirk gelegen sind“, entscheidet. Oberbürgermeister Mende lässt jetzt prüfen, „die Entscheidung des Ortsrates durch eine Ratsentscheidung aufzuheben.“

Für die Fraktion Die Linke/BSG hat sich deren Fraktionsvorsitzender Oliver Müller wie folgt geäußert: „Bei der Straßenbenennung in den 1960er waren Rommel und Stülpnagel umstritten und nicht die erste Wahl. Aber es ging Teilen der Gesellschaft eben darum, eine Traditionslinie von Wehrmacht zur Bundeswehr zu ziehen. Das war schon damals falsch. Dass sich Rommel und Stülpnagel in unterschiedlicher Weise 1944 in Opposition zu Hitler befanden, kann die Kriegsverbrechen nicht aufwiegen, die sie begangen haben. Da es sich nicht um eine einmütige Entscheidung des Ortsrats handelt, lässt sich aus unserer Sicht rechtfertigen, dass der Rat sich mit dem Thema befasst und vielleicht zu einer anderen Entscheidung kommt.“

Wie sich die anderen Fraktionsvorsitzenden äußerten oder auch nicht, siehe: Celler Stadtrat soll Rommel-Straße kippen.

Wie es 1966 überhaupt zu der Benennung kam, ...

beschreibt Reinhard Rohde in seinem Aufsatz „„Verdrängen – vergessen – vergegenwärtigen“ - Erinnerungspolitik – Was prägt(e) in Celle die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus?“ (in: "Gedächtnislücken? Erinnerungs- & gedächtniskultur nach 1945 in Celle. Eine öffentliche Tagung  am 24./25. März 2006. Texte und Protokolle. celler hefte 3-4 (Doppelheft) Juni 2006, S. 33-57, hier S. 39-40:

"[…] Wie sich im erwähnten Abituraufsatzthema des Jahres 1963 andeutet, hatte der deutsche Widerstand Eingang in die westdeutsche Gedenkkultur gefunden. Ein im Westen Celles entstandenes Neubaugebiet, in dem vorgesehen war, u.a. Bundeswehrangehörigen ein Wohnungsangebot zu machen, bekam 1966 Straßennamen nach Widerstandskämpfern. Straßennamen repräsentieren kollektive Geschichtsbilder und spiegeln das „konsensuale generationenübergreifende Selbstverständnis einer Gesellschaft“ (Pöppinghege).

Zunächst war zwar mit einer 5:4 Mehrheit im Verwaltungsausschuss beschlossen worden, die Straßen im neuen Stadtteil nach Dichtern zu benennen. (Ein direkt im Osten gelegenes Viertel hatte Straßennamen nach Komponisten bekommen und wird >Musikerviertel< genannt.) Die SPD hatte in der Sitzung für eine Benennung nach Widerstandskämpfern geworben, war aber der CDU Mehrheit unterlegen. Zur dreieinhalb Wochen später stattfindenden Ratssitzung war die CDU-Fraktion allerdings umgeschwenkt und brachte gegen den Vorschlag der Verwaltung einen Antrag ein, der die Benennung der Straßen nach Leber, Leuschner, Mierendorf (sozialdemokratischer Widerstand), von Stauffenberg, Beck, von Witzleben, Goerdeler (20. Juli), Bonhoeffer (Widerstand ev. Christen), Stülpnagel sowie Rommel vorsah. Die SPD wollte anstelle von Rommel und Stülpnagel die Namen Breitscheid und die Geschwister Scholl mit Straßenbenennungen gewürdigt wissen. Der CDU-Antrag wurde mit 18 gegen 13 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt, der SPD-Antrag überraschend mit 22 Stimmen angenommen. Die SPD war in dieser Ratssitzung vom 16.12.1966 mit 16 Mandatsträgern, die CDU mit 15 und die FDP/WG mit vier Abgeordneten vertreten.

Ein weiterführender SPD-Antrag, wonach für weitere Straßen die Namen Pater Delp, von Ossietzky, Anne Frank, Ullrich von Hassell und Haubach vorgemerkt werden sollten, wurde gegen die Stimmen der SPD-Fraktion abgelehnt. (Protokoll über die Ratssitzung am 16.12.1966; in: StA Celle, Amt 10/130 – 161, und Protokoll über die Verwaltungsausschusssitzung am 22.11.1966; in: StA Amt 10/130 - 259; weitere Straßen im Stadtteil wurden später doch noch nach Rommel und Stülpnagel benannt, weitere Benennungen erfolgten nach Reichwein (sozialdemokratischer Widerstand), York, Moltke und von Hassell. Im Fall Stülpnagel mag die Ablehnung der SPD in seiner Beteiligung am Kapp-Lüttwitz-Putsch im Jahr 1920 begründet sein, und dass Rommel sich in den Reihen des >Deutschen Widerstands< findet, ist einer seinerzeit noch wirksamen Legendenbildung geschuldet, die Bedenken der SPD waren insoweit aber fast selbstverständlich. – Kein Thema war offensichtlich der kommunistische Widerstand (z.B. Schulze-Boysen/Harnack-Gruppe).

Der Cellesche Zeitung war anschließend zwar zu entnehmen, dass es sich um ein „Politikum ersten Ranges“ gehandelt habe, vermerkt wurde eine „unsachlich werdende Diskussion“ und „hochgehende(n) Wellen“. Allerdings wird nicht deutlich, worum inhaltlich gestritten wurde. („Straßennamen nach Widerstandskämpfern“; in: Cellesche Zeitung, 17.12.1966)"